Dienstag, 10. Oktober 2017

Gott trägt falsche Wimpern, photosynthetisiert und schleicht des Nachts im Wald umher





Engel tragen keine Flügel. Es sind Kreuze, die ihre scheinbar zarten Rücken zieren.
Engel fallen nicht vom Himmel. Sie sind Söhne, die geboren werden, um ihre kranken Mütter zu heilen und Töchter, die verlorene Väter retten sollen.
Als unschuldige Kinder werden sie vergöttert und im gleichen Atemzug beschämt.
Zum Nikolaus erhalten sie eine Tracht Prügel und zu jedem Weihnachtsfest ein Päckchen mehr zu tragen.

Die Erde wird von Engeln bevölkert, die mit sich ringen, einander bekämpfen und schlafwandelnd um ihr Dasein fechten. Ihre müden Augen, deren Blicke längst ermatteten, sind zu Boden gesenkt, eisern auf jedmögliches Hindernis gerichtet. Es soll bloß keiner über fremde Füße stolpern oder gar die eigenen. 
Dem vorgegebenen Pfad zu folgen, ist Pflicht. Wer ihn verlässt, wird verstoßen. Einmal gemieden, darf im einsamen, selbstgebauten Fegefeuer geschmort werden, denn jeder ist seines Glückes Schmied.

Es wird gedrängt, geschubst, gestoßen – immer hoch hinaus, gen Himmel, den es gar nicht gibt. 
Über Jahre und Jahrzehnte hinweg sammelt sich Druck an, der die betäubten Körper eines Tages ganz plötzlich ex- oder implodieren lassen wird. Die winzigste Berührung kann zum Zusammensturz führen. Dass dieser eine Chance ist, bleibt unerkannt.

Sie werden sich, am Rande der Perfektion, eine steile Klippe hinabstürzen. Dann, endlich, das erlösende Nichts, das sie preisen und geloben, dem sie mit aller Kraft entgegenstreben.

Was sie nicht wissen, ist, dass sie immerzu ein Licht in sich trugen. Im Sturz erlischt es ohne je gestrahlt zu haben. Blitzte es auf, wurde es versteckt, flackerte es, wurde es erstickt.
Hätte die Flamme ein Feuer entfacht, wäre die Gefahr in alle Ecken und Ritzen vorgedrungen. Kein Schild, keine Aufschrift hätte Stand gehalten. Alles wäre lichterloh niedergebrannt.

Doch ohne Brand bleibt auch die Blüte aus, deren Keime tief unter den Flammen im Erdboden schlummerten und auf ihr Zeichen warteten. Zu jenem kommt es, jegliches Potential missachtend, jedoch nie.

Mit jedem Engel stirbt ein Licht.



Dienstag, 26. September 2017

Lachende Nachtschwärmer im Sonnenlicht






























Heute Nacht siegte in mir das Bedürfnis, zufällige Einfälle festzuhalten, über die Vernunft. Die Anzahl der An- und Ausknipsgesten, die ich meiner Lampe entgegenbrachte, summierte sich, während mir eine Zeile nach der anderen in den Sinn kam.
Beim abschließenden Lesen musste ich ob der Erinnerung an die Worte meiner Geschichtslehrerin schmunzeln. Dem Kurs die korrigierten Aufsätze austeilend, rügte sie mich für meine Thomas-Mann-langen Sätze.
Ja, monströse Satzgebilde zu erschaffen, macht mir Spaß.
Im Abiturjahr bot uns die gleiche Lehrerin in einem anderen Zusammenhang an, auf unsere zukünftigen Kinder aufzupassen.
Manchmal möchte wohl jeder Gott spielen - ob Schäfchen hütend oder Buchstabenschlangen züchtend.

Mein Wecker zeigt 4:56 Uhr; ich liege mit rot lackierten Fingernägeln, weichem Schlafanzug bekleidet und allerlei Süßkram im Bauch in meinem frisch bezogenen Bett.
Auf dem Nachttisch, eine einstmals wie die Wände dieses Raumes orangefarben gewesene, nun jedoch ebenso weiß gestrichene Lagerkiste, befindet sich ein gerahmtes, von mir beschriebenes Blatt Papier in Postkartengröße. In Großbuchstaben steht darauf:
"NOTHING IS WORTH MORE THAN LAUGHTER. IT IS STRENGTH TO LAUGH AND TO ABANDON ONESELF, TO BE LIGHT. TRAGEDY IS THE MOST RIDICULOUS THING.
- FRIDA KAHLO"

Die mexikanische Künstlerin sagte oder schrieb dies vor geraumer Zeit, wobei mir der Kontext unbekannt ist.
Allerdings steht es hier nicht einzig und allein aus einer belanglosen Laune heraus oder um im Rahmen meiner ersten eigenen Wohnung den kürzlich erworbenen Status der Kunststudentin zu inszenieren.

Seit ein paar Jahren begleitet mich dieser Satz von Zimmer zu Zimmer. Zwischenzeitlich verlor er für mich an Bedeutung, wie vieles in meinem Leben als Verzweiflung und Hilflosigkeit überhand nahmen. Nun aber kehrt der Sinn auch in Kahlos Worte zurück und gibt ihnen eine neue, gestärkte Aussagekraft.

Während Osho sich mit zunehmender Präsenz zu den Menschen, die meinen Geist mit Anregungen nähren, gesellte, gewann das Lachen, dem meine Familie in guten wie in schlechten Zeiten - in der Ehe merkwürdigerweise weniger -, ein großes Maß an Bedeutsamkeit schenkt, für mich an Leichtigkeit. 
Ich lache immer noch häufig aus einer tiefgreifenden Unsicherheit heraus, die beinahe einem dem Witz verschuldeten Pflichtgefühl gleicht. Nichtsdestotrotz wirkt lachen auf körperlicher wie seelischer Ebene befreiend und lockert versteifte Strukturen mit einer schlichtweg beeindruckenden Kraft auf.

Das zweite Glied des zweiten Satzes rät nicht, das allen Menschen innewohnende Gefühl der Verlassenheit zu verstärken, sondern ihm Raum zu verschaffen und das Ego loszulassen.
Wenn das Kopfkino laufen darf ohne besucht zu werden, kann sich Licht seinen Weg durch Türspalten und Fensterritzen bahnen.
Dann verliert das Drama an einnehmender, verblendender Wichtigkeit. 
Im Tageslicht erscheint es lächerlich und weicht ausgelassenem Lachen.

Nun zeigt der Wecker 5:55 Uhr. Gute Nacht, liebe Synchronität!

Samstag, 4. März 2017

Füße

Von vielen für unansehnlich befunden und auch von der Zulassungskommission einer der renommierten deutschen Kunsthochschulen scheinbar nicht gern gesehen, sind Füße doch, wie ich finde, sehr schön. Mit keinem anderen Körperteil berühren wir den Erdboden so häufig - und sei es durch hübsches Schuhwerk hindurch - ob gehend, 
laufend,
tippelnd,   
tänzelnd,      
stapfend,         
schlurfend            
oder hüpfend.               

Zumindest ab und an verdienen sie, die Füße, für ihre tagtäglichen treuen Dienste einen kleinen Dank. Obgleich so weit entfernt vom bedachten und gefeierten Gehirn, möchten auch sie gepflegt werden. 
Eine kurze Massage, ein wärmendes Bad, eine sanfte Streicheleinheit.

Freitag, 3. März 2017

Frühlingserwachen

Nach eineinhalb Jahren ein Lebenszeichen - der Entschluss, zumindest für den jetzigen Moment, das Bloggen wieder aufzunehmen und mimis reise erneut Leben einzuhauchen.
Aktiver zeigte sich meine virtuelle Präsenz auf Tumblr und Instagram. Derzeit ein scheinbar weniger beliebtes Medium, bietet Blogspot doch, was Bild, Text und Aufbau angeht, mehr Spielraum und für mich einen Anlass, die Freude an Wort und Gestaltung zu nähren und vielleicht endlich das Zehnfingersystem zu erlernen.

In der Zwischenzeit...
machte ich nicht ohne zu Zögern Abi,
legte innerhalb von gut sieben Tagen 600 km auf dem Fahrrad zurück,
genoss Unmengen an freier Zeit und lernte währenddessen ungemein viel,
zog offiziell zweimal, inoffiziell fünfmal und von Karlsruhe nach Berlin um,
begann und brach kurzerhand eine Ausbildung zur Fotografin ab,
traf überall viele verschiedene Menschen,
beendete die ersten zwei Jahrzehnte,
und fuhr zum ersten Mal Auto.

Von nun an werden die ein oder andere Erfahrung, so manche Idee, Eindrücke und Anregungen, denen ich auf meiner Reise begegne, folgen. Der Blog als Ort, an dem ich mich mitteilen und vage ausdrücken kann - ohne auf jede Frage eine Antwort wissen zu müssen. Über jegliche Reaktion und offene Diskurse freue ich mich sehr. Ebenso sind stille Wegbegleiter*innen herzlich willkommen.





Samstag, 26. September 2015

Mit dem Zug nach Weimar

... ging es an einem weiteren Tag in den Sommerferien. Im Wagenabteil passte erfreulicherweise farblich alles zusammen und von dem hübschen Städtchen in Thüringen war ich auf Anhieb ganz begeistert. In jeder Ecke gab es etwas zu entdecken und dank des strahlenden Sonnenscheins wirkte die angenehme Atmosphäre noch einladender.