Engel tragen keine Flügel. Es sind Kreuze, die ihre scheinbar zarten Rücken zieren.
Engel fallen nicht vom Himmel. Sie sind Söhne, die geboren werden, um ihre kranken Mütter zu heilen und Töchter, die verlorene Väter retten sollen.
Als unschuldige Kinder werden sie vergöttert und im gleichen Atemzug beschämt.
Zum Nikolaus erhalten sie eine Tracht Prügel und zu jedem Weihnachtsfest ein Päckchen mehr zu tragen.
Die Erde wird von Engeln bevölkert, die mit sich ringen, einander bekämpfen und schlafwandelnd um ihr Dasein fechten. Ihre müden Augen, deren Blicke längst ermatteten, sind zu Boden gesenkt, eisern auf jedmögliches Hindernis gerichtet. Es soll bloß keiner über fremde Füße stolpern oder gar die eigenen.
Dem vorgegebenen Pfad zu folgen, ist Pflicht. Wer ihn verlässt, wird verstoßen. Einmal gemieden, darf im einsamen, selbstgebauten Fegefeuer geschmort werden, denn jeder ist seines Glückes Schmied.
Es wird gedrängt, geschubst, gestoßen – immer hoch hinaus, gen Himmel, den es gar nicht gibt.
Über Jahre und Jahrzehnte hinweg sammelt sich Druck an, der die betäubten Körper eines Tages ganz plötzlich ex- oder implodieren lassen wird. Die winzigste Berührung kann zum Zusammensturz führen. Dass dieser eine Chance ist, bleibt unerkannt.
Sie werden sich, am Rande der Perfektion, eine steile Klippe hinabstürzen. Dann, endlich, das erlösende Nichts, das sie preisen und geloben, dem sie mit aller Kraft entgegenstreben.
Was sie nicht wissen, ist, dass sie immerzu ein Licht in sich trugen. Im Sturz erlischt es ohne je gestrahlt zu haben. Blitzte es auf, wurde es versteckt, flackerte es, wurde es erstickt.
Hätte die Flamme ein Feuer entfacht, wäre die Gefahr in alle Ecken und Ritzen vorgedrungen. Kein Schild, keine Aufschrift hätte Stand gehalten. Alles wäre lichterloh niedergebrannt.
Doch ohne Brand bleibt auch die Blüte aus, deren Keime tief unter den Flammen im Erdboden schlummerten und auf ihr Zeichen warteten. Zu jenem kommt es, jegliches Potential missachtend, jedoch nie.
Mit jedem Engel stirbt ein Licht.
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